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25. Jugendsünden


25. Jugendsünden

Die Weihnachtsfolge der Serie. Schwarzer Rabenschmuck dekoriert ganz Cicely. Der Rabe symbolisiert nämlich in der indianischen Mythologie den Heilsbringer; er brachte das Licht in die Dunkelheit. Maurice Weihnachtsdepression verfliegt schlagartig, als koreanische Besucher auftauchen und sich der 40jährige Duk Won als sein Sohn vorstellt. Maurice ist schockiert. Der warmherzige, dankbare Dok Won gibt sich alle Mühe, die Sympathie seines mißtrauischen, chauvinistischen Vaters zu gewinnen. Doch Maurice empfindet die fremde Kultur und Sprache als einzigen Alptraum. Bei etlichen Gläsern Bourbon kommen sich die beiden aber doch noch näher... Joel, obwohl Jude, hat sich einen Christbaum in die Wohnung gestellt; das Schmücken bereitet ihm allerdings Schwierigkeiten. Shelly vermißt ein richtig altmodisches "Charlie-Brown-Weihnachten" mit Mitternachtsmesse und Weihrauch und die (stets zu Weihnachten) "unfallträchtige" Maggie verstaucht sich den Knöchel. Außerdem sieht sie gegen das Weihnachtsfest im Kreise ihrer Familie an, doch als ihre Eltern kurzfristig absagen, stürzt sie in eine noch tiefere Melancholie. Letztendlich versammelt sich die ganze Stadt am heiligen Abend zu den traditionellen Rabenfestspielen.


Joels Weihnachtsgeschenk

Aus der endgültigen TV-Fassung dieser Weihnachtsfolge wurde ein kompletter  Handlungsstrang geschnitten, der aber im Heimkino-Bonusmaterial enthalten ist und auch in mehreren Adventskalendern dieser Fanpage nacherzählt wurde...
 
Es geht damit los, dass Ed und Bong (Maurice' koreanischer Enkel) Joel einen Weihnachtsbaum ins Wohnzimmer tragen und Joel ihnen dabei verrät, dass er in seiner Kindheit einen Nachbarjungen beneidet hatte, der zu Weihnachten einen von Bobby Murcer handsignierten Baseballhandschuh geschenkt bekommen hatte. Diese Bemerkung wurden nicht aus der TV-Fassung geschnitten. Um den folgenden, nicht verwendeten Handlungsstrang besser zu verstehen, ist dieses Hintergrundwissen hilfreich.

In der Geschichte behandelt Joel in seiner Praxis einen kauzigen Patienten namens Peter Narsack, der in einer Spielzeugfabrik im Norden arbeitet und unter einem Ausschlag an den Händen leidet. Joel muss dem wortkargen Mann alle möglichen Informationen regelrecht aus der Nase ziehen, um die Ursache für die Allergie zu erahnen. Schließlich händigt Joel ihm unentgeltlich einen Salbe und Baumwollhandschuhe aus, da Peter nicht in der Lage ist, für seine Behandlung zu bezahlen. Joel begleitet ihn aus der Praxis mit den Worten: "Sehen Sie es als Weihnachtsgeschenk an. Sagen Sie Ihrem Boss, dass ich ein braver Junge bin."



Der Handlungsstrang wird mit einer weiteren Szene fortgesetzt und ist ebenfalls im Bonusmaterial der DVD/Blu-rays zu sehen:

Während es sich Joel abends in seiner Hütte vor dem Kamin gemütlich macht, schreckt ihn plötzlich seltsames Geraschel aus seinen Gedanken. "Wer ist da?", ruft er unsicher in den Raum.
Die Geräusche scheinen vom Dach zu kommen. "Hey... wer ist da oben?"
Joel wird panisch, greift sich einen Golfschläger und rennt so bewaffnet auf die Veranda hinaus und schreit schrill: "Hey... Ich kann Sie hören!" 
Er läuft hektisch ein paar Schritte ums Haus, schaut aufs Dach, kann den Störenfried aber nicht erblicken. Er ruft nochmals: "Wer ist da oben?" Langsam ist ihm die Situation äußerst unheimlich, stürzt zurück ins Haus und wirft die Tür ins Schloss. Als er sich schwer atmend umdreht, traut er seinen Augen kaum, denn dort unter seinem Tannenbaum liegt ein kleines, bunt umwickeltes Päckchen. Er beruhigt sich allmählich: "Okay Ed, du kannst rauskommen!" Doch niemand rührt sich. Schließlich reißt Joel gespannt das Geschenkpapier auf, öffnet den Karton und staunt über einen Baseballhandschuh mit der Unterschrift des ehemaligen All-Star-Spielers Bobby Murcer (den er einst so sehr gerne gehabt hätte). Joel freut sich riesig. Er zieht lächelnd den Handschuh über die linke Hand, bewundert das Autogramm des ehemaligen All-Stars und schlägt mit der rechten Faust in das noch harte Leder. 

 

 

In diesem YouTube-Video sehen wir nun das bekannte Episodenfinale, in dem sich Cicelys Bürger gemeinsam das traditionelle Rabenfestspiel ansehen. Das ist nicht neu, aber anders als in der TV-Fassung, wendet sich Joel plötzlich (ab der 35. Sekunde) an Ed und bedankt sich flüsternd für den Handschuh.
Ed antwortet: "Gern geschehen", aber sein Gesichtsausdruck verrät, dass er nicht wirklich begriffen hat, worum es geht.
Joel fragt: "Woher hast du ihn?"
Und Ed, der konzentriert der Theateraufführung folgt, fragt geistesabwesend: "Was?"
Joel: "Na, den Handschuh."
Und Ed: "Was für ein Handschuh?"
Joel überlegt kurz und lehnt sich schließlich wieder unsicher lächelnd zurück. 
Wer die Vorgeschichte zu dieser kurzen Sequenz nicht kennt, wird sie nicht verstehen.

Dass komplette Handlungsstränge nicht verwendet wurden, ist ungewöhnlich und es ist für Fans der Serie natürlich eine große Freude, wenn sie nach Jahrzehnten doch noch an die Oberfläche gelangen, da einem dieses rare Material das privilegierte Gefühl vermittelt, quasi eine verschollenen Schatz entdeckt zu haben. Im Gegensatz zu einem Sequel, das unter Umständen erst viele Jahre später gedreht würde, wirken solche alten Aufnahmen authentischer, weil die DarstellerInnen und Kulissen nicht gealtert sind und der ursprüngliche Zeitgeist der Serie erhalten blieb.

Wir kennen noch einen weiteren Handlungsstang, der niemals in einer TV-Episode Verwendung fand - und zwar: "Holling in Seattle". Das Video und eine ausführliche Beschreibung dieser kleinen "Kostbarkeit" für Freunde der Serie findet Ihr auf der Seite: "Deleted Scenes".


3.10 Seoul Mates Originaltitel
Deutsche TV-Premiere: 17.03.1993 (RTL)
TV-Premiere: 16.12.1991 (CBS)


 

Diane Frolov & Andrew Schneider  Drehbuch
Jack Bender  Regie



Northern Disclosure (Podcast)

Um die Untertitel in Deutsch anzuzeigen, starte das Video und klicke auf  das "Untertitel‑Symbol" Untertitel‑Symbol im Video‑Player.
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In dieser Folge des Podcasts "Northern Disclosure" sprechen die Gastgeber Rob Morrow (Dr. Joel Fleischman) und Janine Turner (Maggie O’Connell) mit Regisseur Jack Bender (bekannt für seine Arbeit an "Game of Thrones" und "The Sopranos")  über die Episode "Jugendsünden".

Die Folge, die für die Autoren Diane Frolov und Andy Schneider einen Emmy-Gewinn einbrachte, ist die einzige Weihnachtsepisode von "Ausgerechnet Alaska". Sie thematisiert Maurices Konfrontation mit den Folgen einer Jugendsünde: Sein ihm bisher unbekannter Sohn Duk Won kommt zusammen mit dessen Sohn Bong (Maurices Enkel) zu Besuch. Begleitet werden sie von Duk Wons Mutter, die Maurice aus dem Koreakrieg kannte. Diese erste Begegnung ist stark von kulturellem Schock und Maurices tief verwurzelten rassistischen Vorurteilen überschattet, was den Kern des dramatischen Konflikts bildet. Regisseur Jack Bender würdigt die Fähigkeit der Autoren, diesen komplexen Konflikt so nuanciert zu behandeln: "Die Arbeit von Diane Frolov und Andy Schneider... sie sind wirklich Poeten als Autoren." Im Zentrum steht die Raben-Legende, nach der Cicely festlich geschmückt wird und die im Finale als Rabenspiel (Raven Pageant) der Ureinwohner aufgeführt wird, wodurch Realität und Mythos auf einzigartige Weise verschwimmen.

Die Podcasthosts beleuchten die kulturellen Herausforderungen in der Episode, insbesondere für Joel. Rob stellt klar, dass Joel, der als New Yorker Jude das Weihnachtsfest nie gefeiert hat, versucht, eine Art Weihnachtsstimmung zu erzwingen (durch die Anschaffung eines Baumes). Er merkt jedoch, dass er als Jude diese Tradition nicht authentisch leben kann und verschenkt den Baum schließlich Maggie aus reiner Zuneigung. Rob Morrow ist begeistert und bemerkt: "Die Figur entwickelt eine Liebenswürdigkeit, die seine innere Reife oder eine neue Offenheit signalisiert." Er fasst die Qualität der Folge zusammen: "Wenn Ausgerechnet Alaska funktioniert, dann ist es etwas ganz Besonderes. Und diese Folge hatte es in Hülle und Fülle."

Die Diskussion mit Regisseur Jack Bender liefert faszinierende Einblicke in die chaotischen, aber magischen Dreharbeiten. Bender erinnert sich, dass das Team körperlich sehr gefordert war, da sein erster Drehtag um 22:30 Uhr begann, weil die Crew von der vorherigen Episode erschöpft war. Doch gerade in diesem Chaos entstand ein visuelles Wunder: Obwohl das Drehbuch ursprünglich eine Szene vorsah, die über ein "ungewöhnlich heißes Weihnachtsfest" sprechen sollte, schneite es unerwartet am Drehtag. Bender traf die spontane Entscheidung, sofort eine zusätzliche Kamera zu organisieren, um jede Einstellung der Stadt im echten Schnee zu filmen – ein "Segen", der die filmische Atmosphäre der Folge maßgeblich prägte.

Janine erinnert sich an den Stress, der durch die langen Nächte entstand. Sie gibt zu, dass sie in einer Szene mit Jack Bender am Weihnachtsbaum in Joels Hütte so müde war, dass sie "antagonistisch" reagierte. Sie dankt Rob, der ihr beistand und sagte: "Es ist in Ordnung, Janine, wir sind müde." Janine erklärt, dass diese Anspannung aus dem Versuch resultierte, die Depression ihrer Figur Maggie für die Szene aufrechtzuerhalten.

Rob Morrow lobt den Gastregisseur für seine Arbeit und zählt ihn zu den Regisseuren, die für die "zwei besten Shows der Fernsehgeschichte" (gemeint sind "Lost" und 
"The Sopranos") Regie geführt haben. Der nicht verwendete Handlungsstrang über Joels Patienten Peter Narsack und den überraschenden Bobby Murcer Baseballhandschuh wird im Podcast nicht explizit erwähnt.

Diese Podcastfolge wird überraschender Weise nicht von YouTube mit automatischer deutschen Synchronisation angeboten, - aber die Untertitel lassen sich (wie immer) auf deutsch anzeigen. 



 

Musiktitel

Santa Claus Is Coming to Town - Booker T. And The MGs
Dig That Crazy Santa Claus - Oscar McLollie and the Honey Jumpers
Il Est Ne/Ca Berger - The Chieftans
Christmas Time's a Coming - Petter Roloan
Silent Night
Fly Me To The Moon
White Christmas - Allen Toussaint
O Come All Ye Faithful - The Chieftans
The Christmas Song - Tony Bennett
White Christmas - Clyde Mc Phatter (And The Drifters)
Ave Maria (Schubert)

 


Zitate

Chris zu Maurice, der seinen koreanischen Sohn ablehnt): "Maurice! Stell dir mal konzentrische Kreise vor. Der innere Kreis sind wir selbst, dann die Familie, dann der Stamm, dann der Nachbarstamm und so weiter und sofort und... je weiter du dich vom Zentrum entfernst, um so fremdartiger wird alles. Die Menschen auf den äußeren Kreisen, sie bilden das Andere!"
Maurice grübelt: "Worauf willst du hinaus?"
Chris: "Naja, - beim Sex ist das Andere gut. Ich meine, damals hast du dich wahrscheinlich von Dok Wons Mutter sehr angezogen gefühlt, aber...
Wenn man das Andere vom Äußeren nimmt und zum Inneren dazunimmt, dann klappt das manchmal nicht."
Maurice: "Egal, wie du die Sache drehst und wendest, es ist ein Alptraum!
Dieser Mann ist mein Sohn. Ich mag nicht, wie er aussieht, ich mag nicht, wie er redet, ich mag nicht, was er ißt."
Chris aufgeklärt: "Falls dir das ein Trost ist, Maurice, deine Gefühle sind nicht instinktgeleitet."
Maurice: "Nein?"
Chris: "Sie sind kulturell bedingt."
Maurice ungeduldig: "Und wieso sollte mir das ein Trost sein?"
Chris: "Es ist erlerntes Verhalten."
Maurice: "Na und?"
Chris: "Du kannst es dir wieder abgewöhnen."




Maurice (über seine Sohn Duk-Won): "All of my life of dreamed of a son, a tow headed tyke to bounce on my knee, but instead I get a middle aged Chinaman."




Maggie: "Ich bin erleichtert und glücklich und überrascht. Was für eine fantastische Erleichterung, was für eine glückliche Überraschung!"




Marilyn: "Es war vor langer Zeit, da schaute der Rabe vom Himmel herab und sah, dass die Menschen auf der Erde in Dunkelheit lebten. Die Kugel des Lichts wurde von einemselbstsüchtigen Häuptling verborgen. Da verwandelte sich der Rabe in eine Tannennadel und schwamm auf dem Fluss herab bis zu der Stelle, wo die Tochter des Häuptlings Wasser schöpfte. Sie trank die Nadel. Danach wurde sie schwanger und gebar einen Sohn, der der verwandelte Rabe war. Das Baby weinte und weinte, bis ihm der Häuptling die Kugel des Lichts zum Spielen gab. Doch sobald er die Kugel hatte, wurde er wieder zum Raben und trug das Licht zum Himmel. Seit dieser Zeit leben wir nicht mehr in der Dunkelheit."




Chris: "Der garstig grimmige, uralte Rabe streifte umher am nächtlichen Meer. Sag mir, was ist dein edler Name an diesem plutonischen Ufer der Nacht. Sprach der Rabe: Nimmermehr." Tja. So hat Mr. Poe den Raben gesehen. Wißt ihr, viele Anspielungen auf ihn in der westlichen Welt neigen zum negativen. Wie bei vielen Dingen im Leben, wenn es um transzendentale Symbole geht, ist des einen Erlöser des anderen Federvieh zum Jagen."




Chris: "Es ist eine alte Sage, dass an Heiligabend um Mitternacht alle Tiere auf die Knie fallen und sprechen. Sie preisen den neugeborenen Jesus...
Damals im Winter ‘69 war mein Dad gerade wegen Alkohol am Steuer im Knast, und wo meine Mutter war, weiss ich nicht. Jedenfalls war ich Heiligabend allein zu Haus und ich blieb extra lange auf. um zu sehen, ob mein Hund Buddy redet... Und das hat er. Ich weiss nicht mehr genau, was er sagte, aber das ist dabei nicht wichtig. Denn was zählt ist, daß ein 7-jähriger Junge seine persönliche Epiphanie erlebt hat. Worauf will ich hinaus? Tja, darauf, daß Weihnachten sich jedem von uns in einer ganz persönlichen Weise offenbart - weltlich oder heilig. Was auch immer Weihnachten ist, und für jeden Menschen ist es etwas anderes, uns allen gehört ein Stück davon. Es ist - es ist wie der Sack von Weihnachtsmann. Drin ist für jeden von uns ein Geschenk. - Und mein Weihnachtswunsch für euch: Möge euer Hund reden!"




Der Rabe Edgar Allen Poe

Einst, um eine Mittnacht graulich, da ich trübe sann und traulich
müde über manchem alten Folio lang vergess‘ner Lehr‘-
da der Schlaf schon kam gekrochen, scholl auf einmal leis ein Pochen,
gleichwie wenn ein Fingerknochen pochte, von der Türe her.
"‘s ist Besuch wohl", murrt‘ ich, "was da pocht so knöchern zu mir her -
das allein - nichts weiter mehr.

Ah, ich kann‘s genau bestimmen: im Dezember war‘s, dem grimmen,
und der Kohlen matt Verglimmen schuf ein Geisterlicht so leer.
Brünstig wünscht‘ ich mir den Morgen;- hatt‘ umsonst versucht zu borgen
von den Büchern Trost dem Sorgen, ob Lenor‘ wohl selig wär‘-
ob Lenor‘, die ich verloren, bei den Engeln selig wär‘-
bei den Engeln - hier nicht mehr.

Und das seidig triste Drängen in den purpurnen Behängen
füllt‘, durchwühlt‘ mich mit Beengen, wie ich‘s nie gefühlt vorher;
also daß ich den wie tollen Herzensschlag mußt‘ wiederholen:
"‘s ist Besuch nur, der ohn‘ Grollen mahnt, daß Einlaß er begehr‘-
nur ein später Gast, der friedlich mahnt, daß Einlaß er begehr‘:-
ja, nur das - nichts weiter mehr."

Augenblicklich schwand mein Bangen, und so sprach ich unbefangen:
"Gleich, mein Herr - gleich, meine Dame - um Vergebung bitt‘ ich sehr;
just ein Nickerchen ich machte, und Ihr Klopfen klang so sachte,
daß ich kaum davon erwachte, sachte von der Türe her -
doch nun tretet ein!" - und damit riß weit auf die Tür ich - leer!
Dunkel dort - nichts weiter mehr.

Tief ins Dunkel späht‘ ich lange, zweifelnd, wieder seltsam bange,
Träume träumend, wie kein sterblich Hirn sie träumte je vorher;
doch die Stille gab kein Zeichen; nur ein Wort ließ hin sie streichen
durch die Nacht, das mich erbleichen ließ: das Wort "Lenor‘?" so schwer -
selber sprach ich‘s, und ein Echo murmelte‘s zurück so schwer:
nur "Lenor‘!" - nichts weiter mehr.

Da ich nun zurück mich wandte und mein Herz wie Feuer brannte,
hört‘ ich abermals ein Pochen, etwas lauter denn vorher.
"Ah, gewiß", so sprach ich bitter, "liegt‘s an meinem Fenstergitter;
Schaden tat ihm das Gewitter jüngst - ja, so ich‘s mir erklär‘;-
schweig denn still, mein Herze, lass mich nachsehn, daß ich‘s mir erklär‘:-
‘s ist der Wind - nichts weiter mehr!"

Auf warf ich das Fenstergatter, als herein mit viel Geflatter
schritt ein stattlich stolzer Rabe wie aus Sagenzeiten her;
Grüßen lag ihm nicht im Sinne; keinen Blick lang hielt er inne;
mit hochherrschaftlicher Miene flog empor zur Türe er -
setzt‘ sich auf die Pallas-Büste überm Türgesims dort - er
flog und saß - nichts weiter mehr.

Doch dies ebenholzne Wesen ließ mein Bangen rasch genesen,
ließ mich lächeln ob der Miene, die es macht‘ so ernst und hehr:
"Ward dir auch kein Kamm zur Gabe", sprach ich, "so doch stolz Gehabe,
grauslich grimmer alter Rabe, Wanderer aus nächtger Sphär‘-
sag, welch hohen Namen gab man dir in Plutos nächtger Sphär‘?"
Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

Staunend hört‘ dies rauhe Klingen ich dem Schnabel sich entringen,
ob die Antwort schon nicht eben sinnvoll und bedeutungsschwer;
denn wir dürfen wohl gestehen, daß es keinem noch geschehen,
solch ein Tier bei sich zu sehen, das vom Türgesimse her -
das von einer Marmor-Büste überm Türgesimse her
sprach, es heiße "Nimmermehr."

Doch der droben einsam ragte und dies eine Wort nur sagte,
gleich als schütte seine Seele aus in diesem Worte er,
keine Silbe sonst entriß sich seinem düstren Innern, bis ich
seufzte: "Mancher Freund verließ mich früher schon ohn‘ Wiederkehr -
morgen wird er mich verlassen, wie mein Glück - ohn‘ Wiederkehr."
Doch da sprach er, "Nimmermehr!"

Einen Augenblick erblassend ob der Antwort, die so passend,
sagt‘ ich, "Fraglos ist dies alles, was das Tier gelernt bisher:
‘s war bei einem Herrn in Pflege, den so tief des Schicksals Schläge
trafen, daß all seine Wege schloß dies eine Wort so schwer -
daß‘ all seiner Hoffnung Lieder als Refrain beschloß so schwer
dies "Nimmer - nimmermehr."

Doch was Trübes ich auch dachte, dieses Tier mich lächeln machte,
immer noch, und also rollt‘ ich stracks mir einen Sessel her
und ließ die Gedanken fliehen, reihte wilde Theorien,
Phantasie an Phantasien: wie‘s wohl zu verstehen wär‘-
wie dies grimme, ominöse Wesen zu verstehen wär‘,
wenn es krächzte "Nimmermehr."

Dieses zu erraten, saß ich wortlos vor dem Tier, doch fraß sich
mir sein Blick ins tiefste Innre nun, als ob er Feuer wär‘;
brütend über Ungewissem legt‘ ich, hin und her gerissen,
meinen Kopf aufs samtne Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr -
auf das violette Kissen, das ihr Haupt einst drückte hehr,
doch nun, ach! drückt nimmermehr!

Da auf einmal füllten Düfte, dünkt‘ mich, weihrauchgleich die Lüfte,
und seraphner Schritte Klingen drang vom Estrich zu mir her.
"Ärmster", rief ich, "sieh, Gott sendet seine Engel dir und spendet
Nepenthes, worinnen endet nun Lenor‘s Gedächtnis schwer;-
trink das freundliche Vergessen, das bald tilgt, was in dir schwer!"
Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

"Ah, du prophezeist ohn‘ Zweifel, Höllenbrut! Ob Tier, ob Teufel -
ob dich der Versucher sandte, ob ein Sturm dich ließ hierher,
trostlos, doch ganz ohne Bangen, in dies öde Land gelangen,
in dies Haus, von Graun umpfangen,- sag‘s mir ehrlich, bitt‘ dich sehr -
gibt es - gibt‘s in Gilead Balsam?- sag‘s mir - sag mir, bitt‘ dich sehr!"
Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

"Ah! dann nimm den letzten Zweifel, Höllenbrut - ob Tier, ob Teufel!
Bei dem Himmel, der hoch über uns sich wölbt - bei Gottes Ehr‘-
künd mir: wird es denn geschehen, daß ich einst in Edens Höhen
darf ein Mädchen wiedersehen, selig in der Engel Heer -
darf Lenor‘, die ich verloren, sehen in der Engel Heer?"
Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

"Sei denn dies dein Abschiedszeichen", schrie ich, "Unhold ohnegleichen!
Hebe dich hinweg und kehre stracks zurück in Plutos Sphär‘!
Keiner einz‘gen Feder Schwärze bleibe hier, dem finstern Scherze
Zeugnis! Laß mit meinem Schmerze mich allein!- hinweg dich scher!
Friß nicht länger mir am Leben! Pack dich! Fort! Hinweg dich scher!"
Sprach der Rabe, "Nimmermehr."

Und der Rabe rührt‘ sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer
auf der bleichen Pallas-Büste überm Türsims wie vorher;
und in seinen Augenhöhlen eines Dämons Träume schwelen,
und das Licht wirft seinen scheelen Schatten auf den Estrich schwer;
und es hebt sich aus dem Schatten auf dem Estrich dumpf und schwer
meine Seele - nimmermehr.






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