Es könnte ein wenig kompliziert werden! Dies ist nämlich die "Halloween-Folge" der Serie und alles beginnt mit einem aufdringlichen Teufelchen, das vor Joels Hütte um Süßigkeiten bettelt, - außerdem schüchtert ein flüchtiger Bombenattentäter Chris ein. Der zwergwüchsige, cholerische Frank Watson terrorisiert den DJ in seiner Radioshow "Mea Culpa!" mit Anrufen. Da er auch aus West Virginia stammt, will er sich Chris stellen. Ja, und dann kommt auch noch Joels Zwillingsbruder Jules nach Cicely. Jules ist ein schmieriger Lebemann, ein charmanter Aufschneider; - also genau das Gegenteil seines Bruders. Aber sogar Maurice mag seine unkomplizierte Art. Relativ unbemerkt tauschen Joel und Jules ihre Identität, um für einen Abend "Ferien von sich selbst" zu machen. So mäkelt Jules als Joel im Brick am Lachs herum, während sich Joel als Jules unverfänglich an Maggie heranmachen kann. Als Joel schließlich anfängt, Hollings Gäste mit Hütchenspielertricks zu beeindrucken, sperrt ihn Officer Semanski kurzerhand wegen Glücksspiels ein. Damit der Schwindel nicht auffliegt, behandelt Jules am nächsten Tag notdürftig Joels Patienten. Joel macht derweil im Knast Bekanntschaft mit Sigmund Freud, der ihn einer komplizierten Psychoanalyse unterzieht. Während Jules nämlich ES ist: also dem Bösen freien Lauf läßt und gut ist, wenn er gut sein will, ist Joel das zensierende ÜBER-ICH: also jemand, der nur vorgibt, ein guter Mensch zu sein. Jules flirtet gleichzeitig mit Maggie und arrangiert ein Rendezvous. Maggie fühlt sich von Joels neuen Charme geschmeichelt und lädt ihn zum Essen ein. Die Einladung nimmt allerdings dann der echte Joel an. In der Folge geht es um Dialektik; - das Gute und Böse steckt in jedem von uns und Jules und Joel sind in Wirklichkeit eine Person... Alles klar???
3.5 Jules et Joel Originaltitel
Deutsche TV-Premiere: 10.02.1993 (RTL)
TV-Premiere: 28.10.1991 (CBS)
Stuart Stevens Drehbuch
Jim Hayman Regie
Northern Disclosure (Podcast)
Um die Untertitel in Deutsch anzuzeigen, starte das Video und klicke auf das "Untertitel‑Symbol" im Video‑Player.
Klicke dann auf das "Zahnradsymbol" , wähle → "Untertitel" → "Automatisch übersetzen" → "Deutsch".
In diesem "Northern Disclosure"-Podcast sprechen Rob Morrow und Janine Turner mit Regisseur Jim Hayman über die surreale Episode "Jules et Joel" (dt. Titel: "Jenseits von Gut und Böse"). Bemerkenswert ist, dass sie die Folge als Abschluss der zweiten Staffel behandeln - mit der Anmutung eines großen Finales. Tatsächlich wurde sie aber erst Monate später, am 28. Oktober 1991, als fünfte Folge der dritten Staffel auf CBS ausgestrahlt (und in Deutschland 1992 ebenfalls in Staffel 3 gesendet). Eine Erklärung für diese Diskrepanz geben die Beteiligten nicht - doch sie betonen, dass sich die Episode für sie wie ein Schlusspunkt anfühlte.
Geschrieben wurde die Folge von Stuart Stevens, damals TV-Autor, später ein prominenter politischer Berater der Republikaner. Im Mittelpunkt steht Rob Morrows Doppelrolle: Neben dem neurotischen Joel Fleischman tritt dessen exzentrischer Zwillingsbruder Jules auf - eine Figur, die wie ein Alter Ego Joels verborgenes Ich sichtbar macht. Für Rob war das "wie eine Auszeit von sich selbst – nur um sich selbst zu entdecken". Jules sei für ihn "ein freierer Typ gewesen, der einfach reagierte", während Joel stets im Kopf festhing.
Janine Turner beschreibt die Episode als Darstellung "der inneren Zerrissenheit in uns allen" und lobt besonders John Corbett, der als Chris "diese Verletzlichkeit und Angst wirklich gut gespielt" habe.
Für Regisseur Jim Hayman, der hier sein Serien-Debüt gab, war die Episode eine Gelegenheit, seinen Indie-Film-Stil einzubringen: natürliches Licht, lange Takes, eine bewegte Kamera. Janine erinnert sich, dass sie anfangs irritiert war, weil ihr Gesicht nicht so stark ausgeleuchtet wurde - inzwischen aber die "Rembrandt-Ästhetik" sehr schätzt.
Eine technische Herausforderung war es, Joel und Jules in denselben Szenen zu zeigen. Mithilfe einer damals neuen Motion-Control-Kamera entstand ein glaubwürdiges Miteinander beider Brüder. Dabei kam es am Set zu einem Zwischenfall: Die Kamera kippte während einer Aufnahme um. Rob beschreibt das Spielen mit sich selbst als "schizophren", besonders wenn er über das Playback mit seiner eigenen Stimme sprechen musste - und lacht: "Es war, als würde ich mit mir selbst streiten. Irgendwann dachte ich: Vielleicht sollte ich mir das Doppelte an Gage berechnen!" Mit einem Augenzwinkern verrät er außerdem, dass er den New Yorker Jules an Robert De Niro und Dustin Hoffman anlehnte: "Ich habe ihn wirklich geliebt."
Ob Finale oder Halloween-Episode mitten in Staffel 3: „Jules et Joel“ ist eine Ausnahmeepisode - verspielt, technisch ambitioniert und eine kleine Tour de Force, die zu den unvergesslichen Höhepunkten der Serie zählt.
Musiktitel
Flight of the Cosmic Hippo - Bela Fleck & the Flecktones
I Heard the Jukebox Playing - Kitty Wells
I Wanna Be a Cowboy Sweetheart - Dixie Chicks
Don Quichote - Magazine 60
Green Onions - Booker T and the MGs
Don Quichote - Magazine 60
Flight of the Cosmic Hippo - Bela Fleck and the Flecktones
Summertime - Booker T and the MGs
All the Way - Lee Morgan
Flight of the Cosmic Hippo - Bela Fleck and the Flecktones
Minuet (Boccherini)
Zitate
Chris (On Air): "In jeder menschlichen Seele gibt es eine Schattenseite. Wir wären am liebsten Obi-Wan Kenobi, und das schaffen wir auch die meiste Zeit. Aber es steckt ein kleiner Darth Vader in jedem von uns. Es sieht so aus, als wäre es keine Entscheidung, die man selber treffen kann. Hier geht es nämlich um Dialektik. Das Gute und das Böse – beides steckt in uns. Wir können uns verstecken, aber es findet uns doch. Meine Erfahrung sagt: Stellt euch der dunklen Seite und lasst zu, dass sie in euch ist. Genau wie Bruder Nietzsche sagt: Menschsein ist eine ziemlich komplizierte Kiste - und darum reicht dem schwarzen Ritter der Seele die Hand und heult das ewig währende Ja!"
Fußnote:
Im englischen Original sagt Chris: "…give that old dark night of the soul a hug, and howl the eternal yes."
Hier steckt eine doppelte Anspielung drin: Zum einen auf die mystische Tradition der "dunklen Nacht der Seele" ("dark night of the soul") (Johannes vom Kreuz, 16. Jh.), Sinnbild einer existenziellen Krise, die zur inneren Läuterung führt. Zum anderen klingt es wie "dark knight" - also der "dunkle Ritter", Darth Vader, den Chris zuvor schon erwähnt hatte.
Die Doppeldeutigkeit entsteht dadurch, dass die Wörter "night" (Nacht) und "knight" (Ritter) im Englischen gleich ausgesprochen werden. Die deutsche Synchronfassung entschied sich, das Wortspiel aufzulösen und übersetzte eindeutig: "…reicht dem schwarzen Ritter der Seele die Hand und heult das ewig währende Ja!" - was die Verbindung z u Star Wars noch deutlicher macht.
Das "ewig währende Ja" verweist wiederum auf Friedrich Nietzsche: Für ihn war die höchste Form des Menschseins die radikale Bejahung des Lebens - trotz aller Dunkelheiten. Damit knüpft die Serie an Nietzsches Gedanken der ewigen Wiederkunft an: das Leben so anzunehmen, dass man bereit wäre, es in all seinen Höhen und Tiefen immer wieder zu durchleben.
"There‘s a dark side to each and every human soul. We want to be Obi-Wan Kenobi, and for the most part, we are. But there‘s a little Darth Vader in all of us. ‘Cause the thing is, this ain‘t no either/or proposition ‘cause we‘re talking about dialectics. The good and the bad merging into us. You know, you can run, but you can‘t hide. My experience? Face the darkness, stare it down, and own it. It‘s like brother Nietzsche says: being human‘s a complicated gig, so give that old dark (k)night of a soul a hug, and howl the eternal yes."
Chris: "Süßigkeiten, sonst setzt es was! Geld oder Schokolade für alle KBHR-Zuhörer von Eurem sehr ergebenen Chris Stevens zum heutigen Halloween. Für jene von Euch die den Feiertag im heidnischen Geiste begehen, äh, zum Beispiel ein bisschen faule Eier werfen oder Außenklos umschmeißen, folgt nun eine wichtige Durchsage der Polizei. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis: Alaskas höchsteigener Inspektor Clouseau, Officer Semanski, befindet sich auf Streifzug. Den Verlockungen der Liebe erlegen hat sie Maurice Begnadigung gewährt und wird derzeit von ihm durch die Gegend geleitet. Herzlichen Glückwunsch, Maurice! Und ihr anderen seid schön artig. Jetzt kommt etwas besonderes für Euch Geister und Gespenster da draußen."
Joel (zu Freud): "Ich würde sogar mit Socken duschen, wenn sie nicht schimmelig würden."
Joel (zu Freud): "Wer ist eigentlich von uns beiden der Schlimmere? Joel, der nur vorgibt eine guter Mensch zu sein, oder Jules, der dem Bösen in sich freien Lauf läßt, so dass er wirklich gut ist, wenn sich entschließt, gut zu sein?"
Maggie zu Joel: "Sie sind die am schlimmsten anal fixierte Figur, die mir je über den Weg gelaufen ist."
Teufel (Frank Watson): "Süßigkeiten!"
Joel: "Was?"
Teufel: "Süßigkeiten!!"
Joel: "Was soll das?"
Teufel: "Heut' ist Halloween, Blödmann. Los, gib mir etwas Süßes!"
